Heute fand in Basel der zweite Prozesstag gegen 18 Personen statt, denen die Teilnahme an einer Demonstration im Juni 2016 vorgeworfen wird. Der heutige Tag, dieser als Schauprozess gegen die „linke Szene“ inszenierten Veranstaltung, war ein emotionales Auf und Ab: Am Morgen verlas die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift und forderte horrende Strafen für alle Beschuldigten. Von 22 Monaten bedingt auf 4 Jahre Probezeit, 25 Monaten teilbedingt bis zu 38 Monaten unbedingt! Am Nachmittag hielten die ersten Anwälte ihre kämpferischen Plädoyers.
Die Staatsanwaltschaft unterstreicht mit den gefordeten Strafmassen, dass sie kollektiv bestrafen will. Allen Angeklagten werden alle vorgeworfene Tatbestände in Mittäterschaft angehängt. Dies, ohne irgend eine einzelne Tat konkret mit einer Person in Verbindung bringen zu können. Dieses Experiment in Kollektivbestrafung stützt sich auf eine äussert dünne Beweislage und eine gewagte Argumentationskette. Beweise, die belegen würden, dass die Beschuldigten von Beginn an (oder überhaupt) an der fraglichen Kundgebung teilgenommen haben oder wer was (oder überhaupt etwas) kaputt gemacht haben könnte, fehlen. Desweiteren gingen beschlagnahmte Gegenstände verloren oder wurden teilweise wllkürlich Beschuldigten zugeordnet. Und auch die polizeilichen Protokolle strotzten teilweise vor Widersprüchen – wie etwa welcher Polizist nun welche Person verhaftet hat, etc. Nichtsdestotrotz beharrte die Staatsanwaltschaft – auch aufgrund des starken politischen und öffentlichen Druckes – auf ihrer Theorie der „gleichmassgeblichen und arbeitsteiligen“ Mittäterschaft aller Beschuldigten. Ein Konstrukt, welches rechtsstaatlich betrachtet bestenfalls als fragwürdig bezeichnet werden kann.
Weil für die Behauptung einer „bestens koordinierten Gruppe“ keinerlei Beweise existieren, stützt sich die Staatsanwaltschaft massgeblich auf eine ominöse Liste mit den Namen einiger Verhafteter, die einige Tage nach den Ereignissen vom 24. Juni 2016 bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurde. Die Person, bei welcher die Liste gefunden wurde, wurde mehrfach als „Schaltzentrale“ dieser „paramilitärischen“ Vereinigung bezeichnet – ungeachtet der Tatsache, dass das Verfahren gegen diese Person bereits eingestellt worden ist. Mit dieser Fabel verdrehte die Staatsanwaltschaft nicht nur auf perfide Art Ursache und Wirkung – sondern sie versuchte ganz klar auch solidarische Unterstützung der Betroffenen und Antirep-Arbeit ganz allgemein zu kriminalisieren.
Ansonsten zeigte sich die Staatsanwaltschaft jedoch nicht so eindeutig in Bezug auf die Bedeutung der politischen Gesinnung der Angeklagten. Nebst der wiederholt betonten Entpolitisierung der Demonstration (nur gewaltfreie Demos haben einen Anspruch politisch zu sein, die gewählte Strecke konnte nicht die typisch gewünschte Appellwirkung mit viel winkenden Zuschauer*innen erzielen, die Betroffenen hätten aus rein kriminellen Motiven gehandelt,….) wurden Aussehen, Kleidungsstil, Stickers – gesehen bei Hausdurchsuchungen – plötzlich zum Ur-Indiz eines Tatmotivs und im selben Atemzug kriminalisiert.
Den Gebrauch des Aussageverweigerungsrecht (in Basel manchmal sogar in Anführungszeichen „Schweigerecht“ genannt) verletzte die Staatsanwaltschaft so, dass sie daraus Uneinsichtigkeit, fehlende Reue, Unbelehrbarkeit, überzeugte Gewalttäter*innenschaft oder aktive Mitgliedschaft in der „linken Szene“ ableitet. Dadurch erhöhte sie teilweise das Strafmass (um 2 Monate Haftstrafe) und stellte allen eine schlechte Legalprognose in Aussicht.
Die Anwält*innen, die heute zu Wort kamen, plädierten alle überzeugt für Freispruch, betonten die Absurdität der Beschuldigungen und gefordeten Strafen und verlangten teilweise Genugtuung.
Oder auch in den feurigen Worten des Verteidigers M. Bosonnet: „auf einen gemeinsamen Umbruch…“ und: „wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.“